Durkje Salman

Durkje über ihre Liebe zum historischen Stadtbild Berlins, Deutschland.

Die Geschichte von Durkje

Aus Potsdam, Deutschland, erzählt uns Durkje Salman von ihrer Liebe zur deutschen Sprache. Im Berliner Stadtbild kann man viele historische Elemente entdecken. Durkje nimmt uns mit auf eine digitale Reise durch Berlin, auf der sie ihre liebsten Bauwerke und Denkmäler bespricht, die mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs verbunden sind.

Interview geführt von Yoshi Emanuël

Übersetzt von Phillip Wolf (Deutsch)

Hi Durkje! Heute berichtest du unseren Leser:innen von deiner Erfahrung, Deutsch in Deutschland zu lernen. Du gewährst uns auch ein paar Einblicke in dein Wissen über das historische Berlin. Daher bin ich sehr gespannt auf das, was du uns erzählen wirst. Willst du dich selbst noch an unsere Leser:innen vorstellen?

Ja, natürlich. Mein Name ist Durkje Salman und ich bin in Amsterdam geboren und aufgewachsen. Während meines Bachelors in Geschichte an der Universität Amsterdam hatte ich die Möglichkeit, mein Erasmus für ein Jahr in Berlin machen. Nach diesem Jahr habe ich mich dazu entschieden, meinen anschließenden Master in Deutschland zu absolvieren. Zurzeit wohne ich in Potsdam, eine Stadt in der Nähe von Berlin. Hier mache ich meinen Master International War Studies an der Universität Potsdam in Kooperation mit dem University College Dublin (Irland). Meine Muttersprache ist also Niederländisch, aber Deutsch und Englisch spreche ich auch. Mit beiden Sprachen liege ich ungefähr auf C1-Niveau, aber ich muss zugeben, dass mir das Zuhören und Lesen schon immer etwas leichter fiel. Momentan versuche ich, auch ein bisschen Italienisch zu lernen, aber dafür will ich mir Zeit lassen.

Faszinierend! Ich denke, dass viele Leser:innen sich vorstellen können, wie schwierig es ist, eine neue Sprache zu lernen. Aber wieder zurück zu Deutsch: Mich würde dein Deutschlernprozess  interessieren. Wann hast du angefangen, Deutsch zu lernen?

In den Niederlanden ist deutsche Sprache und Literatur ein Pflichtfach in der VWO, was in etwa das niederländische Äquivalent zum Gymnasium in Deutschland ist. Ich selbst war in der Sparte, in der Deutsch ab dem zweiten Jahr ein fester Teil des Stundenplans ist. Im dritten Jahr durfte ich mich dann zwischen Deutsch und Französische entscheiden. Ich habe Legasthenie, daher waren Sprachen für mich immer schon sehr anspruchsvoll. Deshalb entschied ich mich, keine der beiden Sprachen weiter zu belegen. Die Art und Weise, wie Deutsch an der Schule unterrichtet wurde, passte einfach nicht zu mir. Meistens mussten wir einfach Wörter auswendig lernen. Eine Methode, die für mich nicht funktioniert.

Aber schon damals fand ich Deutschland faszinierend. Ich hatte mich wirklich in Berlin verliebt. Deswegen wollte ich immer noch  meine Chance nutzen, Deutsch eines Tages zu lernen. In meinem Bachelor entschied ich mich dazu, selbst anzufangen, deutsche Bücher zu lesen. Außerdem habe ich die deutschen Nachrichten verfolgt, deutsche Musik gehört und ein paar Kurse an der Universität Amsterdam in Deutsch belegt. Nach weiteren Sprachkursen in Deutschland selbst fiel mir auf, wie es immer leichter für mich wurde, Deutsch zu sprechen.

Wenn ich deine Geschichte so höre, bin ich beeindruckt, dass du dich nicht hast entmutigen lassen, eine Sprache wie Deutsch zu lernen. Du sagst zum Beispiel selbst, dass du Legasthenikerin bist und dass der Lehransatz auf der weiterführenden Schule dir nichts gebracht hat. Wie hast du es dann doch geschafft, eine neue Sprache von Grund auf zu lernen?

Ja, tatsächlich. Meine Legasthenie und der Lehransatz haben mich wirklich sehr entmutigt. Trotzdem wusste ich schon sehr früh, dass ich sehr gerne nach Deutschland gehen würde. Um dort zu studieren, aber auch um dort meine Vorliebe für Geschichte in die Tat umzusetzen. Ich habe auch ein paar Male geweint, weil ich mir dachte: „Ich will das so sehr, aber ich kann einfach kein Deutsch. Wie soll ich das jemals schaffen?“ Dann spielten da noch zusätzliche Gedanken mit hinein wie „Ich kann das nicht, weil ich Legasthenikerin bin und ich keine Sprachen lernen kann: Das ist so schwer.“ Schlussendlich bin ich das Ganze auf eine andere Art angegangen, indem ich mir dachte: Was kann ich gut? Ich hatte zum Beispiel schon immer ein gutes Textverständnis. Damit machte ich mich an die Arbeit. Ich habe mit dem Lesen von deutschen Kinderbüchern angefangen und das konnte man oft mit Puzzeln vergleichen: „Oh, das Wort sieht so aus wie das niederländische Wort.“ Am Ende klappte es doch irgendwie, wodurch ich es immer mehr begann zu mögen. Ich musste keine Vokabellisten mehr büffeln wie in der Schule, stattdessen war es mehr eine spielerische Erkundung, indem ich Bücher las und Musik hörte. Das half mir enorm.

Toll. Also ab einem gewissen Punkt warst du dann in Deutschland, um weiter zu studieren. Du hast vorher im Interview gesagt, dass deine Vorliebe für Geschichte dich am meisten motiviert. Kannst du mehr dazu erzählen?

Sehr gerne. Auf der weiterführenden Schule merkte ich, dass mich niederländische Geschichte nicht wirklich interessierte, internationale und deutsche Geschichte dafür aber umso mehr. Vor allem die Zeit um den Zweiten Weltkrieg gewann mein großes Interesse. Und ja, dann landet man doch irgendwie in Deutschland. Natürlich ist es dann nützlich, wenn man die jeweilige Sprache spricht. Ich wollte auch unbedingt ein Tagebuch oder ein Dokument der Schutzstaffel (SS) auf Deutsch lesen. Das hilft einfach sehr beim (kontextbezogenem) Verständnis.

Gerade in Berlin ist diese Geschichte so lebendig. Man läuft an bestimmten Teilen der Berliner Mauer vorbei und denkt: „Oh, aber das ist etwas Besonderes", weil dort ein Plakat hängt, das den geschichtlichen Kontext erklärt. Zum Beispiel, dass an diesem Teil der Mauer Hinrichtungen stattfanden. Es gibt auch beispielsweise Stolpersteine. Diese kleinen Steine befinden sich vor Häusern und symbolisieren die Opfer des Nationalsozialismus. All diese Einzelheiten der Geschichte würde man vielleicht nicht verstehen können, wenn man kein Deutsch spricht. Dann entgeht einem auch die deutsche Perspektive. Und genau die wollte ich als Geschichtsstudentin mitkriegen.

In den Niederlanden gehen wir einen ganz anders mit der Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs um. In Amsterdam zum Beispiel wollte man ein Holocaust-Denkmal errichten. Jetzt wird das Denkmal offiziell errichtet, aber das geschah erst nach jahrelangem Debattieren. In Berlin hat man damals auch beschlossen, ein Holocaust-Denkmal zu errichten, und innerhalb weniger Jahre stand es. Für mich ist das ein Paradebeispiel dafür, wie unterschiedlich in Deutschland mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs umgegangen wird. Die Deutschen haben ein sehr schönes Wort dafür: Vergangenheitsbewältigung. Das beschreibt die Art, wie man sich mit der Geschichte auseinandersetzt. Deutschland ist in dieser Hinsicht viel aktiver, weil es eine beträchtliche Rolle dabei gespielt hat.

Gibt es auch spezifische Elemente aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, die ein besonders großes Interesse bei dir wecken?

Ja. Ich fand das Thema der Judenverfolgung (Schoah) schon immer sehr interessant. Vielleicht kennst du den französischen Historiker Pierre Nora. Nora wurde mit seinem Werks Les Lieux de Mémoire , mit dem er sich auf Orte der Erinnerung bezieht, bekannt. In Deutschland gibt es unglaublich viele dieser Plätze: Denkmäler oder Gedenkstätten. Einer meiner persönlichen Favoriten liegt bei Unter den Linden, im Herzen von Berlin. Dort befindet sich ein großer Platz, der Bebelplatz heißt. Diesen Platz kennt man vor allem wegen der Bücherverbrennung der Nationalsozialisten am 10 Mai 1933. An dem Tag wurden mehr als 25.000 Bücher verbrannt, darunter auch Heine, Marx und Mann. Unter diesem Platz liegt Denkmal zum Gedenken der Ereignisse steht. Dieses Denkmal stellt ein leeres Bücherregal dar und steht symbolisch für all das Wissen, das man durch die Bücherverbrennung verlor.

In der letzten Zeit habe ich mich viel mit Studien zu Gender beschäftigt. In  Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg und auch mit dem Holocaust findet sich dazu nur wenig. Es ist ein Thema, das oft vergessen wird. Die Besichtigung des Denkmals für LGBT*-Minderheiten bieten einen geschichtlichen Kontext, aber ich glaube, dass wir noch sehr viel in der Geschichtsschreibung aufarbeiten müssen. Daher würde ich da gerne meinen Beitrag leisten.

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“Wenn dann historische Elemente zum festen Bestandteil des Straßenbildes werden, weil sie in dem roten Faden der Stadt eingebunden sind, dann kann man die Geschichte nicht ignorieren. In Berlin ist das überdeutlich und das ist großartig!”


Durkje Salman

Wie toll, dass du dazu etwas beisteuern willst! Mich interessiert auch, wie du deine praktischen Deutschkenntnisse nutzt, um die deutsche Perspektive besser verstehen zu können.

Das ist vielleicht sehr simpel, aber man kann viele deutsche (Geschichts-) Bücher lesen, die nicht übersetzt wurden. Eine Übersetzung ins Englische oder Niederländisch verleiht dem Ganzen doch oft eine etwas andere Konnotation. Deutsche haben, wie ich bereits sagte, eine etwas andere Auffassung von Geschichte. Sie führen Geschichtsforschung auf eine andere Art und Weise durch und betrachten die Vergangenheit durch eine andere Linse. Es ist auch hilfreich, Tagebücher von Zeitzeugen lesen zu können. Dadurch erhält man ein besseres Bild des großen Ganzen. Ohne meine Deutschkenntnisse wäre ich dazu einfach nicht in der Lage.

Du hast selbst ein paar Beispiele von historischen Plätzen in Berlin erwähnt, an denen man noch viel von der deutschen Geschichte sehen kann. Gibt es auch andere historische Plätze im Berliner Stadtbild, die dir besonders am Herzen liegen?

Eine gute Frage! Mein Lieblingsplatz ist der Bebelplatz. Ich finde seine Bedeutung so stark. Ich finde, die ganze Idee mit den Stolpersteinen auch äußerst interessant, weil man dort wörtlich über Geschichte stolpert. Außerdem ist die Architektur in Berlin unglaublich vielseitig. Es stehen Gebäude, die in der Epoche der Aufklärung gebaut wurden, direkt neben Gebäuden, die aus der Zeit der DDR stammen.

Eine andere besondere Geschichte wird vom Humboldt Forum erzählt. Dabei handelt es sich um ein Museum in Berlin Mitte. Vor dem Zweiten Weltkrieg war es eine Residenz für Gräfe und Fürsten von Brandenburg und später die Residenz von preußischen Königen und deutschen Kaisern. Während des Zweiten Weltkriegs erlitt das Palais schwere Schäden, was die Nationalsozialisten nicht weiter kümmerte, da das Gebäude ein Zeichen der Monarchie war. Nach dem Zweiten Weltkrieg entschied sich die DDR, das schwer baufällige Gebäude komplett abzureißen, damit ein Kulturzentrum (Palast der Republik) gebaut werden konnte, das nach etwa dreißig Jahren ebenfalls abgerissen wurde. Schließlich wurde beschlossen, die ehemalige Königs- und Kaiserresidenz nachzubauen. Auf eine etwas modernere Art. Die Fassade gleicht dem alten Bauwerk, aber im Inneren liegt der Schwerpunkt auf außereuropäischen und ethnologischen Sammlungen. Wie man sehen kann, werden die unterschiedlichsten historischen Aspekte in einem Gebäude vereint. Ich persönlich finde das toll, weil sich diese gegensätzlichen Aspekte der Geschichte auch im Berliner Straßenbild und den diversen Baustilen wiederfinden.

Das kann ich wirklich nachvollziehen. Vielleicht werden dadurch auch neue Besucher angelockt? Ich kann mir das durchaus vorstellen, wenn man einem einzelnen Gebäude oder Ort mehrere Funktionen gibt.

Auf jeden Fall! Es geht auch darum, die Geschichte lebendig zu halten. Nicht jeder findet Geschichte interessant. Das wirft natürlich die Frage auf: „Was habe ich als Person davon?“ Wenn dann historische Elemente zum festen Bestandteil des Straßenbildes werden, weil sie in dem roten Faden der Stadt eingebunden sind, dann kann man die Geschichte nicht ignorieren. In Berlin ist das überdeutlich und das ist großartig!

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To Listen: AnnenMayKantereit - Barfuß Am Klavier

A favourite of Durkje which helped her to learn the German language.


To Read: Zeit Geschichte

If you have an interest in German history, Durkje recommends ‘Zeit Geschichte’ (available as a physical copy).

To Watch: Babylon Berlin

The series takes place in Berlin during the Weimar Republic, starting in 1929. Based on novels by German author Volker Kutscher.

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